Die aktuelle Ausgabe des vorwärts widmet sich in einem ausführlichen Bericht der Arbeit des Arbeitskreises Digitalisierung. Wir haben den Text des Autoren Kai Doering hier eins zu eins übernommen.

Die SPD muss die Digitalisierung gestalten und sich dafür auch selbst verändern. Davon ist die SPD Hannover überzeugt und hat deshalb einen „Arbeitskreis Digitale Gesellschaft“ gegründet. Für dieses Jahr hat er viel vor.

An seinen Anruf in der SPD-Geschäftsstelle kann sich Erik Tuchtfeld noch gut erinnern. „Sie haben sich gefreut, dass ich etwas zur Digitalisierung machen wollte, denn das sei ja ein Zukunftsthema“, erzählt der 29-Jährige und lächelt. Die Erinnerung amüsiert Tuchtfeld noch heute. „Digitalisierung ist ja kein Modetrend und schon gar keine Zukunftsmusik – wir stecken bereits mittendrin.“

Der Ex-Vorsitzende der Piraten-Partei ist auch dabei

Das Telefonat ist nun fast zwei Jahre her. Tuchtfeld war gerade aus Heidelberg nach Hannover gezogen. In der Heidelberger SPD hatte er den Arbeitskreis Digitale Gesellschaft geleitet, der sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf unser Zusammenleben beschäftigt. „Ich wollte mich auch in Hannover in diesem Bereich in der Partei engagieren, aber es gab noch keine Strukturen zu dem Thema.“ Doch immerhin ein paar Gleichgesinnte konnten sie Erik Tuchtfeld nennen.

Über Adis Ahmetovic, einen der beiden Vorsitzenden der SPD Hannover und heutigen Bundestagsabgeordneten, lernte er Carsten Sawosch kennen. Der 54-Jährige ist in der Digitalpolitik ein bekanntes Gesicht. Von Oktober 2017 bis November 2018 war er Bundesvorsitzender der Piratenpartei, die sich als erste Partei in Deutschland um Netzpolitik gekümmert hatte. 2019 trat Sawosch aus und wieder in die SPD ein, der er in den 90er Jahren schon einmal kurz angehört hatte. „Die Piraten hatten sich beliebig gemacht. Sie hätten bei ihrem Kernthema bleiben sollen“, sagt Sawosch rückblickend.

Gemeinsam starteten sie einen Aufruf zur Gründung eines digitalen Arbeitskreises für Stadtverband und Unterbezirk der SPD Hannover. Rund 120 Interessierte meldeten sich zurück. Das erste Treffen fand im Herbst 2021 statt, digital, es tobte noch Corona. „In der Gruppe gab es sehr unterschiedliche Interessen“, erinnert sich Erik Tuchtfeld. „Es war interessant zu sehen, wie unterschiedlich das Thema Digitalisierung verstanden wird.“

Hannover soll zur Smart City werden

Einer der ersten Anträge, den der Arbeitskreis Digitale Gesellschaft erarbeitet habe, sei die Unterstützung der zivilgesellschaftlichen Freifunk-Initiative gewesen, die sich für freies WLAN im öffentlichen Raum einsetzt. „Über die Fraktion im Stadtrat konnten wir eine städtische Förderung für den gemeinnützigen Verein durchsetzen“, erzählt Erik Tuchtfeld. Inzwischen hat sich der Arbeitskreis etabliert. 15 bis 20 Mitglieder nehmen regelmäßig an den Treffen teil. Ein fünfköpfiger Koordinationskreis bereitet die Sitzungen vor. Neben Tuchtfeld und Sawosch gehören Gabi Diercks-O’Brien (52), Cornelia Fett (49) und Marcel Kuru (33) dazu.

In diesem Jahr möchte der Arbeitskreis insbesondere die Hannoveraner Smart-City-Initiative „hannovativ“ inhaltlich begleiten. Zu den verschiedenen von der Stadt vorgegebenen Themenfeldern wie Mobilität, Demokratie und Gemeinwohl wird der Arbeitskreis in einem auch für Bürgerinnen und Bürger offenen Workshop sozialdemokratische Positionen entwickeln. Ziel ist es, als „Sparring-Partner“ für die Kommune die Perspektive der Stadtgesellschaft in den Prozess einzubringen.

Eine gemeinsame Plattform in der SPD als Wunsch

„Es ist wichtig, bei der Digitalisierung alle mitzunehmen und nicht nur die, die nach vorne preschen“, ist Cornelia Fett überzeugt. Sie sitzt im Ortsrat von Garbsen am Stadtrand von Hannover. „Digitale Plattformen würden uns die Arbeit sehr erleichtern und auch Zusammenhalt schaffen“, ist Fett überzeugt. Das gilt aus Sicht des Arbeitskreises auch für die SPD. „Eine gemeinsame Plattform für Anträge und Beschlüsse wäre toll“, formuliert Erik Tuchtfeld einen Wunsch. So könnten sich Ortsvereine austauschen und gegenseitig vom Wissen der anderen profitieren. „Andere Parteien sind da zum Teil besser aufgestellt“, weiß Tuchtfeld, der auch einer der beiden Vorsitzenden des Vereins D64 ist, der sich die progressive Gestaltung der digitalen Transformation auf die Fahne geschrieben hat.

„Die SPD hat das Thema Digitalisierung zu wenig in ihre Außendarstellung getragen – andere aber auch“, sagt Carsten Sawosch. „Der damalige piratige Gedanke im Bereich der Digitalisierung war ja gut“, müsse nun aber von der SPD weiterentwickelt werden. Sawosch plädiert daher für eine Vereinheitlichung der Internetauftritte innerhalb der SPD und eine bessere Beratung, was etwa die Nutzung von Fotos angeht. Auch sollten sich Ortsvereine bundesweit viel mehr miteinander vernetzen. „Das Rad wird viel zu oft neu erfunden. Warum nutzt die Partei nicht Erfahrungen, die sie woanders schon gemacht hat?“

Die SPD muss das Thema Digitalisierung ernster nehmen

Doch auch nach außen müsse die SPD das Thema Digitalisierung viel offensiver vertreten, sind sie in Hannover überzeugt, „auch wenn sich damit noch keine Wahlen gewinnen lassen“, wie Marcel Kuru zugibt. „Für viele ist Digitalisierung immer noch ein Nerd-Thema, das müssen wir aufbrechen.“ Wenn der SPD das gelinge, werde nicht nur sie selbst davon profitieren. Davon ist Erik Tuchtfeld überzeugt. „Es gibt eine sehr aktive digitale Zivilgesellschaft“, sagt er. „Wenn die SPD in der Breite der Partei erkennt, wie wichtig das Thema Digitalisierung ist, können wir da sehr gut anknüpfen.“